Wer ein neues Auto braucht, muss tief in die Tasche greifen. Doch wie tief wirklich? Was hat sich durch die Energiekrise geändert bei der Entscheidung zwischen E-Auto und Benziner?
REGION. Am besten fahren derzeit alle, die kein neues Auto brauchen. Denn die Preise sind in einer Einbahnstraße nach oben. Vor allem bei Elektroautos, die im Mittel 10 000 Euro teurer sind als Benziner, teilweise sogar doppelt soviel kosten, wie das Beispiel Fiat 500 zeigt. Grund: Die immer teurere Batterie, weil Energie- und Rohstoffpreise durch die Decke gehen. Zudem ändert die bald geringere staatliche Förderung bei Elektrofahrzeugen die Kalkulation. Eine hochkomplexe Entscheidungssituation, die durch immer höhere Stromtarife noch schwieriger wird, wenngleich die Opec+ inklusive Russland jetzt Förderkürzungen angekündigt hat, was auch die Spritpreise nach oben treiben dürfte.
Was also tun? Die Entscheidung für oder gegen ein reines E-Auto hängt maßgeblich an drei Faktoren: dem Kaufpreis, den jeweiligen Lademöglichkeiten und dem Fahrprofil, ob also viel Kurzstrecke oder eher lange Autobahntouren anstehen. Hinzu kommt die Frage: kaufen, leasen oder abonnieren? Das macht die richtige Wahl bei der zweitgrößten Investition nach der Immobilie so schwer. Absehbar aber ist, dass dem E-Auto 2023 gegenüber dem Verbrenner Kostennachteile drohen, so die Experten des CAR-Center Automotive Research (Duisburg).
Wie stehen die Verbraucher zum Elektroauto? Der Trend geht klar weg vom Verbrenner und hin zum E-Auto. Die größte Bewegung findet laut ADAC bei den Befragten statt, die derzeit einen Benziner oder Diesel fahren. Mehr als die Hälfte plant, auf Hybrid- oder E-Autos umsteigen.
Wer sich ans leise elektrische Cruisen gewöhnt hat und die Dynamik beim Anfahren, der will nur in Ausnahmen wieder zurück in die alte Antriebswelt. Zumal die elektrischen Reichweiten inzwischen akzeptabel sind. Neben der Umweltfreundlichkeit werden vor allem die Betriebskosten als Hauptgründe genannt in Zeiten sündhaft teurer Energie.
Rechnet sich der Umstieg denn? Der ADAC hatte in einem Gesamtkostenvergleich die Stromer in vielen Fällen vor einigen Monaten vorn gesehen - unter Berücksichtigung der Kaufprämie und dem meist ignorierten Wertverlust, dem größten Kostenblock. Betrachtungszeitraum: fünf Jahre. Fahrleistung: 15.000 Kilometer per anno. Für den Golf mit Benzinmotor wurden bei 15 Prozent Händlerrabatt Betriebskosten von 56,9 Cent pro Kilometer errechnet, für einen vergleichbaren Stromer ID.3 nur 47,2 Cent. Bisher.
Um wieviel ist das Laden günstiger? Privatkunden schauen meist darauf, was denn das "Tanken" an der Ladesäule im Vergleich zur Zapfsäule kostet. Am Schnelllader an der Autobahn (falls der Wagen das technisch zulässt) ist das deutlich teurer als an der heimischen Wallbox, wo 75 Prozent den Akku füllen. Gratis-Zapfen beim Arbeitgeber in der Firma - fiskalisch unbedenklich, da kein geldwerter Vorteil - hilft zudem. Während das kostenlose Aufladen beim Discounter inzwischen vielfach nicht mehr möglich ist. Laut ADAC ist der Vorteil bei den Energiekosten dann weg, wenn die Kilowattstunde Strom 54 Cent kostet. Das CAR-Institut rechnet damit, dass wegen Preiserhöhungen in einigen Wochen die bisherigen Vorteile für Stromer 2023 zu Kostennachteilen werden. Bei 0,5 Euro /kWh sei dem so und bei 0,75 Euro wie an Schnellladern erst recht - jeweils bei angenommenen 1,87 Euro je Liter Sprit. Fest steht jedoch: Mit einem Batterieauto zahlt man bis Ende 2030 keine Kfz-Steuer.
Was kosten Versicherung und Wartung? Einige Assekuranz-Unternehmen wollen sich auf dem neuen Markt positionieren, bieten Sonderkonditionen für Stromer an. Das Vergleichsportal Verivox hat Preisvorteile bis 34 Prozent gegenüber einem vergleichbaren Verbrenner ermittelt. Kein Ölwechsel, weniger Verschleißteile wie Getriebe, Zahnriemen oder Bremsen (durch Rekuperation, also Energierückgewinnung bei Bergabfahrten oder beim Bremsen, wird nicht nur Strom produziert, sondern auch die Bremsanlage geschont), machen den Service günstiger.
Und was ist bei Reparaturen? Nach einem Unfall liegen die Kosten, so eine Allianz-Studie, zehn Prozent höher. Bei Plug-in-Hybriden sind es sogar 50 Prozent. Müsse teilweise nach einer Airbag-Auslösung der Akku ausgetauscht werden, das teure Herzstück des Fahrzeugs, könne das sogar zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen. Auch Marderbisse an Hochvoltkabeln können richtig ins Geld gehen.
Was tut sich ab 2023 bei der staatlichen Förderung? Die Prämie für reine E-Autos sinkt auf zwei Drittel des bisherigen Niveaus. Für Wagen mit einem Netto-Listenpreis bis 40.000 Euro auf 6750 (bisher 9000) Euro, von 40.000 bis 65.000 auf 4500 (bisher 7500) Euro. Für die ohnehin umstrittenen Plug-in-Hybride fällt sie ganz weg. Ab 1. September kommenden Jahres können zudem nur noch Privatpersonen den Umweltbonus beantragen. Wer noch die volle Förderung will, muss den Wagen bis Ende 2022 zugelassen haben, falls der Hersteller das Risiko nicht übernimmt. Weil der Prämientopf gedeckelt ist, gibt es möglicherweise bereits gegen Ende 2023 kein Geld mehr.
Wie wird sich das auswirken? Nach Ansicht von Peter Fuß, Autoexperte bei der Unternehmensberatung EY, wird dadurch die Verkehrswende ins Stocken geraten. "Ob sich der Autokäufer in Zeiten von Inflation und erwarteter Rezession dann immer noch für das teurere E-Auto entscheiden wird, ist fraglich." Das betrifft vor allem die Golf-Klasse und Kleinwagen und bremst damit das Interesse am Stromauto in der Mitte der Bevölkerung aus. Während ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hier den Rotstift ansetzt und eine Kaufblockade riskiert, versuchen die USA und China über höher subventionierte E-Auto-Käufe die Konjunktur anzukurbeln. Was auch dem Klima nutzt.
Was steht bei Rabatten zu erwarten? Noch sind die Orderbücher gut gefüllt, längst nicht alle Bestellungen ausgeliefert. Aber der Wind dreht sich, die Hersteller werden absehbar verstärkt mit Rabatten und anderen Ködern vorsichtig gewordene Käufer anlocken müssen. Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer erwartet einen "Kippeffekt", eine deutlich rückläufige Kaufbereitschaft. Auch weil Neuwagen immer teurer werden. Die Durchschnittspreise aller Modelle stiegen nach ADAC-Angaben innerhalb von fünf Jahren von 44.908 auf 53.525 Euro im Juli 2022. Und verdeckte Preiserhöhungen kommen hinzu, etwa durch den Wegfall von Einstiegsmodellen und kleinen Motoren.
Was sollte man tun, wenn man keinen Zeitdruck hat? EY-Mann Fuß rät vor dem Hintergrund unkalkulierbarer Restwertrisiken - bei Verbrennern wie E-Autos gleichermaßen - zu Leasingangeboten. Mehr Flexibilität bieten jedoch die weithin kaum bekannten Auto-Abos als Spielart des Leasing, die Dudenhöffer vorzieht. Dort ist man nicht über Jahre gebunden, ist die Kostenkontrolle besonders hoch, weil bis auf Sprit oder Strom alles in der Monatsrate enthalten ist. Schnell wieder aussteigen oder das Modell wechseln (und die Antriebsart), das ist hier möglich. Als zeitliche Brücke bis zu einer Marktnormalisierung - auf freilich hohem Preisniveau - sei derlei sinnvoll, so der Autoprofessor. Das aber dauert wohl bis 2024/25.
Von Achim Preu