Biontech soll das weltweit führende Unternehmen der individualisierten Krebstherapie werden. Chef Sahin will aus dem Börsenneuling ein „globales Biotechnologie-Unternehmen” machen.
NEW YORK / MAINZ. In der individualisierten Krebsimmuntherapie liegen große Hoffnungen. Dabei geht es sozusagen um für den Patienten maßgeschneiderte Impfstoffe, die das Immunsystem anregen, Tumorgewebe zu erkennen und im Gegensatz zum Flächenbombardement der Chemotherapie ganz gezielt die spezifischen Krebszellen abzutöten. Medikamente gibt es noch keine, aber es befinden sich eine Reihe von Kandidaten in der klinischen Entwicklung, werden also bereits am Menschen getestet.
Dass diese Tests dann auch in Medikamente münden, wird allgemein erwartet. Experten gehen davon aus, dass das Segment der personalisierten Krebstherapie bis 2024 auf ein Volumen von 100 Milliarden US-Dollar wachsen wird. Ganz vorne mit spielt dabei die Mainzer Biontech, die als Pionier in dem Bereich gilt.
Das Ziel: ein globaler Biotechnologie-Konzern
Entsprechend groß war das Interesse an den Quartalsergebnissen, die das Unternehmen am Donnerstag nach dem Gang an die New Yorker Hightech-Börse Nasdaq (10. Oktober) erstmals vorlegte. Und Ugur Sahin, Gründer und Chef von Biontech, sparte bei der Telefonkonferenz nicht mit großen Zielen. „Wir wollen ein voll integriertes, globales Biotechnologie-Unternehmen aufbauen“, sagte er. Und: „Unser Anspruch ist es, das weltweit führende Unternehmen auf dem Gebiet der individualisierten Krebsmedizin zu werden.“ Dabei ist man nach Ansicht von Vorstand Sean Marett auf einem guten Weg. „Meines Wissens gibt es bisher kein anderes Unternehmen, dessen klinische Studien für Messenger-RNA-basierte Krebstherapien weiter fortgeschritten sind als unsere“, sagte Marett dem Portal „Der Aktionär“.
Aktuell hat das Unternehmen bereits acht Produktkandidaten in klinischen Tests, weitere sechs sollen laut Sahin bis Ende 2020 „als Erstanwendung am Menschen“ hinzukommen. Die Zahl der Entwicklungen, die in Phase zwei der klinischen Studien vorstoßen, soll von derzeit einer auf vier wachsen. Ein Kandidat soll im zweiten Halbjahr 2020 sogar schon mit Phase drei – das ist die letzte vor einer Zulassung – beginnen.
An Umsatz hat das Unternehmen noch nicht viel vorzuweisen, schließlich verkauft es noch keine Medikamente. So lagen die Umsätze im dritten Quartal mit 28,7 Millionen Euro deutlich unter den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, die sich auf 50,4 Millionen Euro bliefen. Klar auch, dass Biontech noch Verluste schrieb, und zwar netto 30,1 Millionen Euro. Bei einem Börsenwert von gut vier Milliarden Euro und flüssigen Mitteln von mehr als 460 Millionen Euro ist das allerdings wenig.
Die Börse honorierte die Quartalspräsentation; der Kurs der an der Nasdaq notierten Stammaktien kletterte bis 18 Uhr um gut zwei Prozent auf rund 19 Dollar. Da aber aus dem Bereich noch keine Medikamente auf dem Markt sind, bleibt eine Unsicherheit, wie sich der Kurs weiter entwickelt. Die Antwort auf diese Frage „ist schlicht und einfach, dass ich es nicht weiß“, meint etwa ein Experte des Aktienblogs sharedeals.de. Zwar verfüge das Unternehmen über eine sehr aussichtsreiche Entwicklungspipeline, aber selbst absolute Experten „können nur sehr schwer beurteilen, wie die Aussichten bei der Entwicklung von Therapien sind“. Entsprechend hat die Biontech-Aktie seit dem Börsengang (Ausgabepreis 15 Dollar) eine Berg- und Talfahrt hinter sich. Mit einem Tief von 12,52 Dollar und einem Hoch bei 21,99 Dollar.