Schweinefleisch soll ab 2023 mit einem verpflichtenden Tierhaltungslabel gekennzeichnet werden. Doch es hagelt Kritik, denn über das Tierwohl sagt das Siegel wenig aus.
RHEIN-MAIN. Die Bundesregierung hat den Gesetzesentwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) für ein verpflichtendes Tierhaltungslabel beschlossen. Das staatliche Label soll Verbrauchern beim Kauf von Schweinefleisch bereits ab Sommer 2023 Aufschluss über die Haltungsform der Tiere geben und so für mehr Transparenz sorgen. Bauernverbände, Tierschützer und Verbraucherzentralen kritisieren diesen Beschluss.
Gekennzeichnet wird laut Gesetzesentwurf in fünf Kategorien: Stall (gesetzliche Mindestanforderung), Stall + Platz (20 Prozent mehr Platz im Stall als die gesetzliche Mindestanforderung), Frischluftstall, Auslauf/ Freiland (Tiere haben mindestens acht Stunden am Tag die Möglichkeit sich draußen aufzuhalten) und Bio (größere Ställe und Freilandzugang). Das Label soll sowohl bei abgepacktem als auch bei frischem Fleisch an der Theke in Metzgereien oder Supermärkten Anwendung finden. Andere Fleischsorten sollen folgen. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert hier bereits, dass auch verarbeitetes Fleisch zum Beispiel in Form von Wurst gekennzeichnet werden müsse. Außerdem fehlten im Sinne einer Transparenz für den Verbraucher wichtige Bereiche wie die Gastronomie, erklärt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands.
Neu ist diese Art der Haltungskennzeichnung nicht. Schon seit 2019 gibt es in vielen großen Supermarktketten eine einheitliche Haltungsform-Kennzeichnung von Fleisch auf freiwilliger Basis. Diese unterteilt sich allerdings nicht in fünf, sondern nur in vier Stufen: Stallhaltung (gesetzliche Mindestanforderung), Stallhaltung Plus (zehn Prozent mehr Platz im Stall als die Mindestanforderung), Außenklima (Tiere haben mehr Platz und Kontakt zum Außenklima), Premium (Auslauf im Freien, viel Platz. Auch Bioprodukte fallen in diese Kategorie.). Özdemir betonte unterdessen, dass mit dem Gesetzesentwurf, der nun noch in Bundestag und Bundesrat beraten werden muss, endlich eine „staatlich verpflichtende und eben nicht nur freiwillige Tierhaltungskennzeichnung“ umgesetzt werde. Zudem sollen die gemachten Angaben behördenseitig kontrolliert werden. Bei einem Verstoß droht ein Bußgeld. Auch Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht, ein Förderkonzept für den Umbau hin zu tiergerechteren Ställen und bessere Regelungen im Tierschutzrecht gehören zum Konzept.
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Pflicht gilt nicht für Importware
Also doch ein Fortschritt? Aus Sicht von Tierschützern und dem Deutschen Bauernverband eher nicht. Sie bemängeln, dass so immer noch der Gesamtblick auf den Lebenszyklus des Tieres fehle. So finden zum Beispiel Transportwege und Schlachtung auch im neuen verpflichtenden Label keine Berücksichtigung. Auch die Herkunft der Ferkel und die Sauenhaltung würden nicht berücksichtigt. „So können betäubungslos kastrierte Ferkel weiter aus dem Ausland in den heimischen Markt importiert werden und würden dennoch das Tierwohllabel erhalten“, erklärt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Generell soll die Kennzeichnungspflicht nicht für Importware, sondern nur für das Fleisch von Schweinen gelten, die in Deutschland gemästet wurden. Importiertes Fleisch könne jedoch freiwillig mit dem Label gekennzeichnet werden, heißt es beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Die Verbraucherzentralen sehen das von Özdemir als eine Stärkung des Verbraucherschutzes angepriesene Tierhaltungslabel als „Fortschritt mit Verbesserungspotenzial“. So begrüßt Jana Fischer aus der Abteilung „Lebensmittel und Ernährung“ der Verbraucherzentrale die Staatlichkeit und den verpflichtenden Charakter des Siegels, bemängelt jedoch, dass die niedrigste Stufe „Stallhaltung“ zum Wohl der Tiere generell abgeschafft werden sollte. Zudem könnte die Gestaltung des Labels, das nüchtern in schwarz-weiß gehalten sein soll, intuitiver sein. „So wird Vorwissen darüber, was beispielsweise Stallhaltung bedeutet, vorausgesetzt“, erklärt Fischer. Eine farbliche Gestaltung im Sinne einer Ampel wie beim Nutri-Score wäre aus Sicht der Verbraucherzentralen wünschenswert.
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Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert das Label dennoch als „Etikettenschwindel“, da es nur den Status quo kennzeichne und nicht wirklich für einen Fortschritt im Tierschutz stehe. Verbandspräsident Thomas Schröder appelliert an die Parteien im Bundestag, das Gesetz nachzuschärfen: "Wenn dies nicht gelingt, wäre es aus unserer Sicht besser, den Prozess zu stoppen: Lieber gar kein Kennzeichen als eines, das den Weg zu mehr Tierschutz extrem belastet."