Rat der Wirtschaftsweisen ist wieder komplett

Die neuen Wirtschaftsweisen Ulrike Malmendier und Martin Werding (rechts) können mit der Arbeit loslegen. Links im Bild: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). © BMWK/Andreas Mertens

Die Bundesregierung konnte sich lange nicht auf die Besetzung des in Wiesbaden tagenden Sachverständigenrats einigen. Wie die politische Blockade aufgelöst wurde.

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WIESBADEN. Die Hängepartie ist beendet. Nach anderthalb Jahren politischen Streits um die Besetzung sind die sogenannten Wirtschaftsweisen wieder komplett. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Ökonomen Ulrike Malmendier und Martin Werding als neue Mitglieder in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufen, der beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden tagt. Die zwei neuen Mitglieder dürften bereits in die Arbeit zum Jahresgutachten eingebunden sein, welches traditionellerweise Mitte November vorgelegt wird. In der Vergangenheit glich die Veröffentlichung häufig einer Generalabrechnung mit der Bundesregierung.

Wirtschaftsweise stehen in der Kritik

Die Wirtschaftsweisen sind nicht unumstritten. Die Wiederberufung des Ratsmitglieds Lars Feld war im Jahr 2021 in der Großen Koalition vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) blockiert worden, da Feld unter anderem den Mindestlohn kritisiert hatte. Pikante Notiz am Rande: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat Feld inzwischen zu seinem wirtschaftspolitischen Berater berufen. Ratsmitglied Volker Wieland war dann im Frühjahr 2022 zurückgetreten, um sich wieder mehr der Forschung zu widmen. Das vierköpfige Gremium hatte sich zuvor nicht auf einen neuen Vorsitzenden einigen können. Diese Patt-Situation wird mit den Neu-Berufungen nun aufgehoben.

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Frauen stellen in dem wichtigsten wirtschaftlichen Beratungsgremium der Bundesregierung jetzt erstmals die Mehrheit. Weitere Mitglieder im Rat sind die Wettbewerbsspezialistin Monika Schnitzer und die Energieexpertin Veronika Grimm. Letztere leitet derzeit die Kommission, die bis Mitte Oktober das Konzept für die Gaspreisbremse ausarbeiten soll.

"Populäre Manager neigen zu teuren Fusionen"

Der im Jahr 2019 auf Vorschlag der Gewerkschaften berufene Finanzökonom Achim Truger bekommt mit dem von der Arbeitgeberseite ins Rennen geschickten Werding einen ausgewiesenen Experten als Gegenpart. Der Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Uni Bochum führte für die Arbeitgeber eine Sozialstaatskommission, die aufgrund höherer Lebenserwartung eine Erhöhung des Rentenalters ins Spiel brachte. Der 58-Jährige forscht auch zu Sozialversicherungsthemen, Bevölkerungsökonomie und Arbeitsmarktpolitik.

Mit Malmendier zieht zudem erstmals die Professorin einer US-Universität in den Rat ein. Ihre Forschungsschwerpunkte an der University of California im kalifornischen Berkeley liegen neben der Finanzwirtschaft und Vertragstheorie in der Verhaltensökonomie, die die Rolle von psychologischen Aspekten bei Wirtschaftsentscheidungen stärker berücksichtigt. So wies sie nach, dass das Konsumverhalten der Menschen stark davon abhängt, ob sie bisher mehr Erfahrungen mit hoher Inflation oder stabilen Preisen gemacht haben. Außerdem zeigte sie, dass im Rampenlicht stehende und besonders selbstsicher auftretende Manager oft zu überteuerten Fusionen neigen.

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Nach einer Ausbildung bei der Deutschen Bank hatte die Kölnerin in Volkswirtschaftslehre und Jura promoviert und in den USA Karriere gemacht. Die Professorin, Jahrgang 1973, zählt zu den fünf Prozent der am meisten zitierten Ökonomen. Die Arbeit im Rat wird sich verändern müssen, denn zwischen Berkeley und Wiesbaden liegen mehr als 9000 Kilometer.