Nach einem Gerichtsurteil ist das öffentlich-rechtliche Angebot „Newszone“ unzulässig. 16 Verlagshäuser hatten geklagt, der Sender geht in Berufung.
STUTTGART. Seit Jahren schwelt zwischen Zeitungsverlagen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein sehr grundsätzlicher Streit. Im Kern geht es dabei um die Frage, welche Inhalte die Öffentlich-Rechtlichen im Internet anbieten dürfen. Genauer: Wo die Sender, denen jährlich mehr als acht Milliarden Euro an verpflichtenden Rundfunkbeiträgen zur Verfügung stehen, dabei zur wettbewerbsverzerrenden und -widrigen Konkurrenz für die privatfinanzierten Verlagshäuser werden. In diesem Streit haben nun die Verlage einen juristischen Erfolg erzielt – doch die endgültige Entscheidung in dem konkreten Fall steht noch aus.
16 Verlagshäuser aus dem Südwesten hatten geklagt
Aktuell entzündet sich der Streit an der Nachrichten-App „Newszone“, die der SWR im Frühjahr für eine junge Zielgruppe aufgelegt hat. Und die nach eigenen Angaben „auf einfachen Zugang zu News und starke Individualisierbarkeit“ setzt. 16 Verlagshäuser aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben dagegen geklagt, darunter die Verlage von „Rheinpfalz“, „Rhein-Zeitung“, „Trierischer Volksfreund“, „Mannheimer Morgen“, „Stuttgarter Zeitung“, „Heilbronner Stimme“. Und auch die VRM, in der diese Zeitung erscheint. Der Vorwurf der Verlage im Kern: Das Angebot der App sei zu textlastig und damit wettbewerbswidrig. Joachim Liebler, Sprecher der Geschäftsführung der VRM, sagte: „Die VRM entwickelt hervorragende digitale Produkte, die natürlich auch einen guten Preis verdienen. Solange der SWR aber vergleichbare Angebote wie ,Newszone‘ verschenken kann, wird privaten Medienunternehmen die Erwerbsgrundlage entzogen. Wir müssen um jeden Euro kämpfen, weil wir uns eben nicht aufgrund staatlich festgesetzter und von allen Haushalten zwangsweise zu zahlender Beiträge finanzieren können.“
Vorgabe: Angebote dürfen nicht „presseähnlich“ sein
In der Fachsprache wird für die „Textlastigkeit“ der Begriff „presseähnlich“ verwendet. Genau dies soll aber laut Medienstaatsvertrag ausgeschlossen sein: Demnach dürfen die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender eben nicht „presseähnlich“ sein. „Sie sind im Schwerpunkt mittels Bewegtbild oder Ton zu gestalten, wobei Text nicht im Vordergrund stehen darf“, heißt es in dem Vertrag, der den Rahmen für das öffentlich-rechtliche Angebot setzt. Die Ausnahme – und erlaubt – sind zeitlich und inhaltlich „sendungsbegleitende“ Angebote, also solche, die „der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen“.
Die App „Newszone“ erfüllt jedoch nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart diese Vorgaben nicht. Ihre Form ist aus Sicht der Richter „presseähnlich“ und damit rechtswidrig gewesen. Konkret geht es dabei um die Ausgestaltung der App vom 14. April 2022; das Urteil bezieht sich auf diesen Tag und nicht auf spätere, möglicherweise geänderte Ausgestaltungen. Zudem erachtet das Gericht die App als eigenständiges Angebot, das zwar auf Inhalte des Onlineauftritts von „dasding.de“ (ein Jugendradio des SWR) zugreife, für das aber keine medienrechtliche Genehmigung vorliege. Vor knapp einer Woche hat das Gericht aus diesen Gründen dem Antrag der Verlage auf einstweilige Verfügung gegen die App stattgegeben.
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) begrüßte das Urteil: Dies „zeige klar, dass die Einschätzung der klagenden Verlage zur Rechtswidrigkeit des presseähnlichen Angebotes korrekt gewesen sei“. VRM-Geschäftsführer Liebler sagte mit Blick auf die App: „Das war nie Sinn und Zweck des Medienstaatsvertrags. Wenn der SWR sich in der Berichterstattung nicht auf seinen Schwerpunkt in Ton und Bewegtbild rückbesinnt und weiter im Digitalen über häufig nur konstruierten Sendebezug praktisch ein weiteres presseähnliches Nachrichtenprogramm präsentiert, wird es keine Koexistenz von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien geben können.“ Aus Sicht des Geschäftsführers des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV), Holger Paesler, ist mit dem Urteil entschieden, dass das App-Angebot vom SWR nicht mehr in vergleichbarer Form betrieben werden dürfe.
SWR bedauert die Gerichtsentscheidung
Der SWR wiederum bedauerte die Entscheidung, sie sei nicht nachvollziehbar. „Durch unseren gesetzlichen Auftrag sind wir verpflichtet, alle Menschen mit Informationen und Nachrichten zu versorgen – auch junge Menschen“, sagte SWR-Intendant Kai Gniffke, der im nächsten Jahr den ARD-Vorsitz übernehmen wird. Der SWR will gegen das Urteil in Berufung gehen und hat die App vorerst auf Eis gelegt, der Download ist bis auf Weiteres nicht mehr möglich. Der Sender will aber erreichen, dass die App künftig weiter angeboten werden darf. Die Inhalte von „Newszone“ würden nun trotz des Stopps der App weiterhin über „dasding.de“ und Drittplattformen wie TikTok, einem Videoportal, verfügbar sein, sagte Gniffke.
Dies wiederum kritisieren die Zeitungsverlage. „Wir prüfen gerade rechtlich, ob mit diesem Vorgehen ein Verstoß gegen die Verbotsverfügung des Landgerichts gegeben ist, und werden entsprechend reagieren“, sagte Wolfgang Poppen, Verleger der „Badischen Zeitung“ und stellvertretender VSZV-Vorsitzender, als Vertreter der 16 klagenden Verlagshäuser. Man sei der Meinung, dass allein die Ausspielung bei „dasding.de“ und TikTok die Nachrichteninhalte von „Newszone“ als „eigenständiges Angebot fortführt und dadurch eine technische Umgehung des Verbotstenors vorliegt“, sagte Poppen.