Merck-Manager: „Versorgungssicherheit hat Priorität“

aus Energiekrise

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Die Versorgungssicherheit mit Gas hat für den Präsidenten des Bundesarbeitgeberverbands Chemie, Kai Beckmann, absolute Priorität. Foto: Merck

Unternehmen müssen neun- bis zehnmal so viel für Energie zahlen wie in den USA. Warum die Verlagerung der Produktion oft nicht reversibel ist, berichtet Merck-Manager Kai Beckmann.

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Die Versorgungssicherheit mit Gas hat für den Präsidenten des Bundesarbeitgeberverbands Chemie, Kai Beckmann, absolute Priorität. Foto: Merck
Kai Beckmann

Herr Beckmann, ist die Konzertierte Aktion wirkungsvoll oder nur viel Rauch um Nichts?

Ich bin der festen Überzeugung, dass sie wirkungsvoll ist. In der Konzertierten Aktion wurde die Gaspreisbremse ebenso initiiert wie die steuer- und sozialversicherungsfreien Einmalzahlungen. Der Austausch von Sozialpartnern, Bundesregierung und Wissenschaft hat gute Ergebnisse gebracht.

Die Chemieindustrie zählt zu den großen Gasverbrauchern. Wie hart wird der Winter?

Die Versorgungssicherheit hat absolute Priorität. Chemieanlagen können nicht einfach an- und abgeschaltet werden. Die Abhängigkeiten in den Wertschöpfungsketten sind vielfältig. Dazu kommt die zunehmende Kostenbelastung. Deutsche Unternehmen sind im globalen Wettbewerb nicht konkurrenzfähig, wenn sie für Energie hier neun- oder zehnmal so viel zahlen müssen wie in den USA.

Ist die Versorgung dauerhaft gesichert?

Ich sehe dem Winter etwas optimistischer entgegen als vor einem halben Jahr. Aber niemand kann Entwarnung geben. Wir wissen nicht, wie der Winter wird. Wichtig bleiben Einsparungen in allen Bereichen. Die Chemieindustrie produziert heute zwölf Prozent weniger als vor der Krise. Diese dramatische Entwicklung ist vor allem auf Kostensteigerungen für Energie zurückzuführen.

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Wie weit ist die Industrie bei den Einsparungen gekommen?

Effizienz ist unsere Kernkompetenz. Der größte Anteil des Gases wird in industriellen Prozessen eingesetzt. Da liegt es schon lange im Eigeninteresse der Unternehmen, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. In den Büros und Laboren gibt es noch Einsparpotenzial, das aber beim Gesamtverbrauch nur einen geringen Beitrag leisten kann.

Besteht noch Spielraum für Energieeinsparungen?

Meine größte Befürchtung ist, dass der größte Spielraum bei Produktionseinschränkungen liegt. Wenn die Produktion aus Kostengründen ins Ausland verlagert wird, wird diese aber später nicht einfach zurückkommen. Das macht mir Sorgen. Die Ammoniak-Herstellung beispielsweise ist aufgrund der hohen Energiekosten hierzulande kaum noch wirtschaftlich.

Spielt bei Produktionsrückgängen neben Kosten auch die Konjunkturflaute eine Rolle?

Das ist eine Mischung aus beiden Faktoren.

Droht eine Deindustrialisierung Deutschlands, wie manche Stimmen meinen?

Ich neige nicht zu überzeichneten Formulierungen. Aber ich teile die Sorge, dass uns Teile der Wertschöpfungskette langfristig wegbrechen könnten. Kleine und mittlere Unternehmen sind besonders hart von den Kostensteigerungen betroffen, weil sie lokal gebunden sind.

Wie wirksam sind die bisher beschlossenen Maßnahmen des Bundes?

Die kurzfristigen Probleme werden durch die Gaspreisbremse adressiert, aber die langfristigen Herausforderungen bleiben. Klimaschutz, Dekarbonisierung, Fachkräftemangel und Digitalisierung sind Themen, die zusätzlich auf die Industrie wirken.

Kommen die Hilfen zu spät?

Die Geschwindigkeit ist angesichts der Komplexität respektabel. Die Gaspreisbremse ist das Beste, was in der Kürze der Zeit machbar war, aber sie muss jetzt schnell und unbürokratisch greifen.

„Produktion in Europa sollte auf solidere Beine gestellt werden”

Sind künftig weitere Hilfen notwendig?

Wir fordern ein Belastungsmoratorium. Angesichts der bestehenden Probleme dürfen den Unternehmen nicht immer mehr umsetzungsintensive Regeln oben draufgepackt werden.

Rechnen sie damit, dass sich die Energiepreise wieder einpendeln werden?

Ich gehe davon aus, dass wir nicht auf das Niveau vor diesem extremen Anstieg zurückkommen werden. Unklar ist, ob es dann Faktor zwei oder drei sein wird. Wir werden aber langfristig ein höheres Energiepreisniveau sehen.

Was bedeutet das für den Standort Deutschland?

Nach den Lieferkettenproblemen während der Pandemie sollte die Produktion in Europa auf solidere Beine gestellt werden. Dem läuft nun fundamental entgegen, dass Teile der energieintensiven Industrie massive Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeiten haben.

Wie fragil sind die Lieferketten?

Die Lage hat sich, von einigen Rohstoffen abgesehen, derzeit etwas beruhigt. Auch die Chip-Verfügbarkeit hat sich stabilisiert. Das ist jedoch kein Selbstläufer, sondern mit großem Aufwand seitens der Unternehmen verbunden.

Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt verändert. Wie nachhaltig ist der Trend zum Homeoffice?

Bei Merck haben wir bereits vor elf Jahren die Arbeit flexibilisiert. Damals mussten wir vor allem die Führungskräfte überzeugen, dass Homeoffice für beide Seiten vorteilhaft sein kann. Heute müssen wir Mitarbeiter überzeugen, dass das Büro nicht nur eine Notlösung ist.

Wir müssen neue Mitarbeiter integrieren, den Nachwuchs ausbilden und kreative Teams bilden. Wenn das Arbeitsmodell zwischen beiden Extremen ausbalanciert ist, ist es am wirkungsvollsten. Teamzusammenhalt ist ein Konto, von dem sie nicht nur abbuchen können. Das Beziehungskonto müssen wir nach der Corona-Krise auch wieder aufladen.