„Die Stimme bewegt und manipuliert uns“
Wie stark eine melodische Stimme Einfluss auf die zwischenmenschliche Kommunikation haben kann und warum eine tiefe Stimme die Nase vorn hat in der Wirtschaftswelt –...
Marburg. Wie stark eine melodische Stimme Einfluss auf die zwischenmenschliche Kommunikation haben kann und warum eine tiefe Stimme die Nase vorn hat in der Wirtschaftswelt – darum ging es in der Bürgervorlesung von Professorin Christiane Hey im Audimax.
Ein Lächeln, ein Blick, wohlklingende Worte – viele Faktoren erzeugen einen ganz bestimmten und teils manipulierbaren Eindruck auf das Gegenüber. Die Stimme beeinflusst ganz besonders Wahrnehmung und Emotionen, "Stimme bewegt und manipuliert uns", sagte die Chefärztin der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie des UKGM.
Die eigene Stimme ist einzigartig, ist erkennbar und für Bekannte unter vielen verschiedenen Stimmen herauszuhören. "Die menschliche Stimme bildet so etwas wie unseren Fingerabdruck", sagte Hey. Sie stellte Dutzende Studien vor, die sich weltweit mit der Wirkungsweise der Stimme in allen menschlichen Lebensabschnitten beschäftigen, angefangen im Mutterleib.
Rückschlüsse auf Alter und Geschlecht
Auch Ungeborene können hören, ab der 19. Schwangerschaftswoche setze bei einem Fötus ein erstes Hören ein, ab der 35. Schwangerschaftswoche sind alle Frequenzen wahrnehmbar, erklärte die Referentin. Die Stimme der Mutter könne der Fötus von anderen Frauenstimmen unterscheiden, zumindest nach einiger Zeit, nicht jedoch die Stimme des Vaters.
Wesentliche Elemente der Stimme sind vor allem Klangfarbe, Tonhöhe und Lautstärke. Der Inhalt, den man aus einer Stimme heraushören kann, ist deutlich umfangreicher. Alleine durch das Hören lassen sich Rückschlüsse auf Alter, Geschlecht, soziale Unterschiede oder die Stimmungslage des Sprechenden ziehen. Eine angenehme Klangfarbe und Melodie hat dabei Einfluss auf die Stimmwirkung und Wahrnehmung, also auch auf das, was wir mit der Stimme suggerieren. Viele Nuancen werden dabei unterbewusst benutzt, etwa das Sprachtempo, die Anzahl der Silben, eine hohe, tiefe oder näselnde Stimme, die generell negativ als Sprachform "von oben herab" ausgelegt werde.
Auch Expertin Hey war sich ihrer Stimme sehr bewusst, sprach mit Bedacht, sehr akzentuiert und ruhig, streute hier und da einen Gag ein. Das machte Eindruck bei Dutzenden Zuhörern. "Klang vermittelt Emotionen", betonte die Dozentin. Freude, Wut, Trauer und Angst sind die Grundemotionen.
Diese zu erkennen, ist maß;geblich für die Kommunikation. Zumindest innerhalb der eigenen Kultur: Wie die "Marburger Studie" herausfand, ist die Treffsicherheit von Probanden beim Erkennen von Emotionen geringer, je weiter weg sich das jeweilige Land von dem befindet, in dem Stimme und Stimmung aufgezeichnet wurden.
Wie die Forschung herausfand, haben Männer dabei Vorteile, etwa in der stimmlichen Manipulation: Eine tiefe Frequenz, eine tiefere Stimme erzeugt generell eher Sympathie und Vertrauen und bringe selbst wirtschaftliche Vorteile. Wie eine Studie herausfand, ist dies angeblich direkt mit der Größ;e eines Wirtschaftsunternehmens gleichzusetzen. Dazu wurden die Stimmlagen von 800 Unternehmern untersucht. Das Ergebnis: "Je tiefer die Stimme, desto größ;er die Firma", berichtete Hey.
Stimmungsmache per Stimme wird ebenso im politischen Wahlkampf eingesetzt. Auch dort gelte: "Eine tiefe Stimme führt." Sowohl tiefe Stimmen bei Männern als auch bei Frauen erzeugten ein Gefühl von Kompetenz und Stärke. Den weiblichen Probanden wurde darüber hinaus auch Vertrauenswürdigkeit zugeordnet, den männlichen eher nicht. "Meine Herren, das tut mir leid, aber das ist Wissenschaft", scherzte die Medizinerin.
Die Forschung wisse heute viel über den biologischen oder psychologischen Vorgang des Sprechens und Hörens. "Manches wissen wir aber noch nicht über die Stimme", sagte Hey.
Der Vortrag fand in der gemeinsamen Bürgervorlesungsreihe von Fachbereich Medizin und UKGM statt. Am 8. November spricht Professor Harald Renz im Audimax über das Thema "Hausstaubmilben, Nahrungsmittel, Pollen – Allergien auf dem Vormarsch".
Von Ina Tannert