
Die Zuschüsse in Millionenhöhe für den nordhessischen Airport spalten die Landespolitik. Verkehrsminister Al-Wazir fordert Subventionsabbau, Union und SPD halten dagegen.
Kassel/Wiesbaden. Verkehrsberuhigte Zone mit angeschlossenem Gewerbegebiet oder bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Boomregion Nordhessen? Der Regionalflughafen Kassel-Calden spaltet die Landespolitik. Mit der Forderung der Grünen im Wahlprogramm, eine Abstufung zum Verkehrslandeplatz zu prüfen, ist die Debatte wieder aufgeflammt. „Wir müssen schauen, ob wir die Zuschüsse von im Moment rund fünf Millionen Euro im Jahr noch beibehalten wollen oder sie weiter reduzieren können“, betont der grüne Spitzenkandidat und derzeitige Verkehrsminister, Tarek Al-Wazir, in einem Interview mit der HNA. „Da geht es ja um Steuergeld.“
Die Nachfrage ist in der Tat überschaubar. Von Kassel-Calden starteten im vergangenen Jahr mit 115.000 Passagieren weniger Fluggäste als am Frankfurter Flughafen an einem Tag. Der Sommerflugplan passt mit Zielen wie Palma de Mallorca, Heraklion, Antayla, Bozen, Sylt und Usedom auf eine handliche DIN-A4-Seite. Dass der Regionalflughafen Paderborn lediglich 70 Kilometer entfernt ist, beschränkt den Einzugsbereich. Im Umfeld des Airports haben sich mit Airbus, ZF Luftfahrttechnik und der Piper Generalvertretung für Deutschland aber immerhin auch Unternehmen aus dem Luftfahrtsektor angesiedelt.
Zustimmung zur Position der Grünen kommt vom Bund der Steuerzahler in Hessen. Die Landesregierung habe sich die Lage des chronisch defizitären Flughafens immer wieder schöngerechnet, heißt es. Dort fielen jährlich Fehlbeträge von mehr als fünf Millionen Euro und Kosten für hoheitliche Aufgaben von über drei Millionen Euro an. Ein Blick auf den Flugplan oder ins meist leere Terminal reiche, um zu erkennen, dass das Projekt vor allem Kosten, aber kaum Nachfrage generiere. „Dieser Airport ist ein Fass ohne Boden“, betont der hessische BdSt-Vorsitzende Joachim Papendick.
Doch was würde eine Herabstufung zum Verkehrslandeplatz für Kassel-Calden in der Praxis bedeuten? Ein Verkehrsflughafen muss mehr vorhalten als ein Verkehrslandeplatz, das betrifft sowohl die 24-Stunden-Betriebsbereitschaft als auch Einrichtungen wie Bodenverkehrsdienste, Feuerwehr oder Polizei für Grenzkontrollen internationaler Flüge. „Dieser Aufwand wäre bei einem Verkehrslandeplatz geringer und würde das Land auch finanziell entlasten“, berichtet das Verkehrsministerium auf Anfrage in Wiesbaden. Das bedeute aber auch, dass dann keine großen kommerziellen Flugzeuge mehr den Flughafen nutzen könnten, also vor allem die bisherigen Touristikflüge.
Die landespolitischen Fronten sind klar definiert: Union, FDP und SPD verteidigen die Zuschüsse für den Regionalflughafen, Grüne, Linke und AfD lehnen sie ab. „Wir stehen klar zum Flughafen Kassel als wichtigem Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber für rund 1000 Beschäftigte vor Ort. Nordhessen ist eine Boomregion, die wir noch stärker fördern wollen“, betont CDU-Generalsekretär Manfred Pentz auf Anfrage in Wiesbaden. Der Airport ist auch nach Überzeugung des SPD-Fraktionsvorsitzenden, Günter Rudolph, ein erfolgreiches Infrastrukturprojekt. „Dieses Projekt infrage zu stellen, um fünf Millionen Euro an Landeszuschüssen einzusparen, zeugt von wenig volkswirtschaftlichem Sachverstand.“
Eine Zurückstufung von Kassel-Calden bedeute nicht, dass immens Kosten gespart werden. Auch ein Verkehrslandeplatz habe erhebliche Betriebskosten, erläutert FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas auf Anfrage. Allerdings gingen mit einer Herabstufung alle Chancen auf eine positive Entwicklung verloren. „Vorhandene Infrastruktur sollte man nicht aufgeben.“ Die Freidemokraten wollen vielmehr mit einer besseren Verkehrsanbindung die Wirtschaftlichkeit verbessern.
„Der Bau des Flughafens – ein vermeintliches Leuchtturmprojekt von Ex-Ministerpräsident Roland Koch (CDU) – war ein absehbarer wirtschaftlicher Misserfolg. Es handelte sich von Beginn an um ein Nonsens-Projekt, bei dem schon für den Bau 280 Millionen Euro Steuergelder verbraten wurden“, kritisiert der Nordhesse Torsten Felstehausen (Linke). Das finanzielle Defizit bleibe Jahr für Jahr unverändert hoch, wenn man Buchhaltungstricks wie angerechnete Grundstücksverkäufe abziehe. Der Flughafen Kassel sei ökonomisch wie ökologisch unsinnig.
„Der Verkehrslandeplatz Kassel-Calden wurde vor über zehn Jahren zu einem Regionalflughafen aufgestuft und hat seither zusätzlich zu den Betriebszuschüssen noch jährlich rund 3,5 Millionen Euro an hoheitlichen Kosten verschlungen“, sagt Bernd Erich Vohl (AfD). Selbst der Spitzenwert aus dem Jahr 2018 mit 131.800 Passagieren habe nicht einmal ein Viertel des vor zehn Jahren vorhergesagten Mittelwerts erreicht.