Seit über zehn Jahren sind die Zinsen im Keller. Sparen die Menschen jetzt anders? Ein bisschen, ergab eine Studie der Commerzbank. Dennoch liegen Milliarden unverzinst auf...
DARMSTADT/SÜDHESSEN. (red/ain). Nach der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren senkten Zentralbanken weltweit die Leitzinsen. Mit niedrigen Zinsen sollte die Weltwirtschaft wieder angekurbelt werden. Doch zehn Jahre später bleibt die Europäische Zentralbank auf demselben Kurs. Haben die Deutschen ihr Sparverhalten daraufhin geändert? Antworten gibt eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Commerzbank.
Bundesweit wurden 2000 Menschen befragt, davon 100 in Hessen. Zwei Drittel der Befragten in Hessen gaben an, dass sich ihr Umgang mit frei verfügbarem Geld in den vergangenen zehn Jahren verändert hat. Knapp ein Drittel investierte mehr Geld in Genuss und Lebensfreude, beispielsweise für Reisen oder Restaurantbesuche. Mehr als 20 Prozent kauften verstärkt Konsumgüter wie Autos oder technische Geräte. Auch Investitionen in Immobilien waren beliebt: Knapp ein Fünftel hat die anhaltend niedrigen Zinsen genutzt, um in ein Haus oder eine Wohnung zu investieren, beispielsweise in eine energetische Sanierung. 16 Prozent haben ein Haus oder eine Wohnung gekauft. Teilweise würden aber überhöhte Preise aufgerufen, sagt Sven Hilpert, Niederlassungsleiter der Commerzbank Darmstadt mit Blick auf die Region Darmstadt, Offenbach und Aschaffenburg.
Jeder vierte Hesse gibt an, trotz Niedrigzinsen noch mehr Geld aufs Sparbuch zu legen. Doch das hält Hilpert für keine gute Option: „Wir verwalten hier in der Niederlassung Darmstadt 1,69 Milliarden Euro an privaten Einlagen – und das komplett unverzinst.“ Nach einer Untersuchung der Comdirect liegt der Wertverlust seit Ende 2010 pro Bundesbürger bei 1638 Euro. Dennoch legen laut der aktuellen Commerzbank-Umfrage nur 16 Prozent der Befragten in Hessen vermehrt Geld in Wertpapieren an. Banken und Sparkassen in Südhessen raten ihren Kunden schon seit einigen Jahren dazu und sind „missionarisch tätig“, so Matthias Martiné, Vorstandssprecher der Volksbank Darmstadt-Südhessen eG bei der Bilanzvorlage im Frühjahr.
Tagesgeldkonto bietet Illusion von Sicherheit
Danach gingen die Aktienkurse weltweit auf Talfahrt und die Wirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. „Wer jetzt den Mut hat, in Wertpapiere zu investieren, sollte mittelfristig eine ordentliche Rendite erzielen“, sagt Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Im zweiten Halbjahr sollten sich die Kapitalmärkte wieder erholen.
Aber warum tun sich viele so schwer damit? „Viele Jahrzehnte konnte man mit Sparbuch und Tagesgeldkonto wenig falsch machen“, sagt Schickentanz. Das habe sich tief eingebrannt. Menschen hätten „immense Verlustängste“. Und das Tagesgeldkonto biete immer noch die Illusion von Sicherheit. Zudem wollten sich viele nicht mit dem Thema auseinandersetzen. Nur knapp ein Drittel der Hessen hat sich der Umfrage zufolge in den vergangenen zehn Jahren über alternative Geldanlagen informiert.