Proteste gegen Conti-Sparkurs

Beschäftigte protestierten in Schwalbach dagegen, dass Continental ihnen den Stuhl vor die Tür stellt. Foto: IG Metall

Der Automobilzulieferer Continental verschärft die Gangart und plant den Abbau von tausenden Arbeitsplätzen im Rhein-Main-Gebiet. Die Beschäftigten und IG Metall wollen sich...

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FRANKFURT. Menschenkette, Autokorso, Kundgebung – Beschäftigte und IG Metall laufen Sturm gegen den Abbau von tausenden Industriearbeitsplätzen bei Continental. Der Automobilzulieferer will in Deutschland statt wie bisher 7000 Stellen 13 000 von hierzulande 59 000 Arbeitsplätzen abbauen. Besonders betroffen ist das Rhein-Main-Gebiet mit Standorten in Karben, Babenhausen, Schwalbach, Frankfurt, Wetzlar und Rheinböllen.

Das Automotive-Werk Karben steht nach den Planungen vor dem Aus, wie die IG Metall in Frankfurt berichtet. Die Produktion von Elektronikbauteilen für Klimaanlagen, Tachos und Fahrerassistenzsystemen mit 1088 Beschäftigten – davon 200 Leiharbeitern – soll bis zum Jahr 2024 geschlossen werden. „Die Wertschöpfung soll unter anderen nach Litauen und Rumänien verlagert werden“, berichtet Michael Erhardt, IG-Metall-Mitglied des Aufsichtsrats der Continental Automotive GmbH. Die Gewerkschaften wollen beschäftigungssichernde Alternativen für das Werk entwickeln, welches in der Vergangenheit schon mehrmals geschlossen werden sollte. Mit einer Menschenkette vom Werk bis zum Rathaus und einer Kundgebung an diesem Donnerstag will man den Druck auf Continental erhöhen. Schließlich sei Karben inzwischen eines der effizientesten Werke im Konzern, heißt es. Auch an anderen Standorten werden Proteste vorbereitet.

Das zurückgehende Auftragsvolumen als Folge der Corona-Krise, die Transformation der Branche hin zu E-Autos sowie die Digitalisierung im Auto treffe insbesondere die Zulieferindustrie als letztes Glied der Kette, erläutert Erhardt. „Umso wichtiger ist ein Schulterschluss mit den Beschäftigten und in Zeiten der Unterauslastung der Verzicht auf Produktionsverlagerungen.“ Die IG Metall fordert, dass überbrückende Instrumente wie Kurzarbeit genutzt werden. „Reden Sie mit den Arbeitnehmern über die Produkte und Dienstleistungen von morgen.“

Anfang September hatte Continental die Verschärfung des bereits im vergangenen Jahr beschlossenen Sparprogramms bekannt gegeben. Jetzt soll vom Jahr 2023 an jährlich eine Milliarde Euro gespart werden. „Zur Strategie zählen das Zusammenziehen von Produktion, Forschung und Entwicklung an den weltweit wettbewerbsfähigsten Standorten“, erläuterte Continental-Vorstandschef Elmar Degenhart. Zusätzlich treibe Continental die Automatisierung der Abläufe, die Flexibilisierung der Arbeit und die Senkung der Arbeitskosten voran. Das führe zur Verlagerung oder Schließung von Standorten mit zu hohen Kosten und auslaufenden Technologien.

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In Babenhausen wird, wie bereits im vergangenen Jahr beschlossen wurde, die Produktion von Anzeige- und Bedienelementen aufgegeben. Davon sind 2250 von 3600 Arbeitsplätzen betroffen. Jetzt sollen laut IG Metall noch 150 Jobs in der Verwaltung hinzukommen. Einzelne Produktionsbereiche sollen zudem schneller geschlossen werden als bisher geplant. Babenhausen werde aber als Entwicklungsstandort erhalten bleiben, werde zugesichert. Die IG Metall plant am Donnerstag einen Protest-Autokorso.

Auch bei Continental in Schwalbach mit dem Schwerpunkt Entwicklung wird der Abbau beschleunigt. Dort sollen 178 von etwa 650 Arbeitsplätzen gestrichen werden. Am größten Standort Frankfurt-Rödelheim mit rund 5 500 Beschäftigten ist gleichzeitig der Abbau von 457 Jobs geplant. In Wetzlar, wo Navigations- und Infotainmentlösungen entwickelt werden, soll die Zahl der Arbeitsplätze unterdessen von 420 auf 380 reduziert werden. „Die große Anpassung haben wir bereits hinter uns“, erläutert IG-Metall-Sprecher Mittelhessen, Stefan Sachs.

Im Bremsen-Werk Rheinböllen sind die Beschäftigten besonders schockiert. „Wir haben Ende des vergangenen Jahres dem Bau einer digitalisierten Produktionshalle, die weitgehend ohne Beschäftigte arbeitet, zugestimmt“, berichtet Ingo Petzold von der IG Metall in Bad Kreuznach. Im Gegenzug sei versprochen worden, dass der Abbau von 750 auf 500 Arbeitsplätze begrenzt wird. Nach den aktuellen Planungen sollen jetzt lediglich 250 Beschäftigte übrig bleiben. „So wird Vertrauen missbraucht und zerstört.“