Mit 20 Mitarbeitern stellt der Betrieb jeden Tag bis zu 2000 Paletten her. Die Produktion ist wenig komplex, die Herausforderungen im Palettengeschäft liegen woanders.
OBERZENT/SÜDHESSEN. Mit Armen aus gusseisernem Stahl greift die Maschine drei Holzklötze und setzt jeden auf ein Brett. An den Verbindungsstellen schießen drei Nägel ein, die die Palette oft viele Jahre zusammenhalten. Auf den ersten Blick sieht das Verfahren nicht nach High-Tech aus. „Aber der Schein trügt. Die Steuerung im Hintergrund ist vollautomatisch“, sagt Chef Thomas Sauer (64). Mit seinem Geschäftspartner Manfred Schmitt (67) leitet er die Matho GbR, die ihren Sitz am Marbachstausee im Odenwald an der Grenze zwischen Hüttenthal und Oberzent hat.
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Rund 20 Mitarbeiter produzieren hier am Tag bis zu 2000 Paletten, womit man in der Branche zu den eher kleineren Anbietern zählt, „die Großen stellen am Tag so viel her wie wir im Jahr“, so Sauer. Deutschlandweit werden nach Angaben des Holzpackmittelverbands HPE jedes Jahr über 110 Millionen Paletten gefertigt. Das sind täglich mehr als 300 000 und alle zwölf Minuten ein Stapel, der mit 378 Metern etwas höher ist als der Berliner Fernsehturm. Doch selbst damit kann die Inlandsnachfrage von knapp 150 Millionen nicht gedeckt werden, sodass man auf Importe angewiesen ist.
Genutzt werden die Holzpackmittel in jedem produzierendem Unternehmen. „Es gibt zwei Sachen, ohne die man dort nicht auskommt: Paletten und einen Stapler“, sagt Günther Kehl (65), der die beiden Chefs als Betriebsleiter unterstützt. Kunden der Firma Matho sind „so gut wie alle größeren Industriefirmen in der Region und einige Logistikfirmen“, sagt Sauer. Dabei bedient man ein Gebiet von 100 Kilometern rund um den Firmensitz und liefert grundsätzlich alle Bestellungen selbst aus.
Dass man bei den Kunden branchenübergreifend aufgestellt ist, kommt Matho gerade jetzt zugute. Denn bei einigen, wie etwa den Haarkosmetikfirmen, die für Friseure produzieren, sei das Geschäft von heute auf morgen eingebrochen, bei anderen die Nachfrage dagegen so hoch wie nie. So habe man einige Verluste ausgleichen können. Als der Toilettenpapierhersteller Essity im Frühjahr Sonderschichten einlegte, um in den Supermärkten die Lücken der Hamsterkäufer zu füllen, habe Matho zum Beispiel zweimal täglich eine Lkw-Ladung mit jeweils über 500 Paletten vorbeigebracht.
„Wir stellen fest, dass das Geschäft viel schnelllebiger geworden ist“, sagt Betriebsleiter Kehl. Mehrmals am Tag müsse man die Planung umstellen, weil immer öfter kurzfristige Anfragen kämen. „Als kleiner Anbieter sind wir aber flexibel und können reagieren“, so Kehl. Während viele Wettbewerber mit Speditionen arbeiteten, liefere Matho mit drei eigenen Sattelzügen und einem Zwölftonner alles selbst. Viele Abnehmer nennen heute ein festes Zeitfenster, „und weil bei uns die Abstimmungswege kurz sind, können wir das einhalten“, sagt Schmitt.
In der Branche, in der Preisdruck immer mehr zum Thema werde, wolle man damit punkten. Und wenn es eng wird, können die drei zur Not selbst auf den Lkw steigen. Zuverlässigkeit und Qualität gehörten nun mal zur Firmenphilosophie. Gefragt sind die Holzpackmittel derzeit zwecks Möbelbau auch bei Privatleuten. Solch kleinere Mengen ab zehn oder 20 Stück gibt man ebenfalls von Zeit zu Zeit ab.
Das Produkt ist in der Herstellung wenig komplex. Eine Europalette besteht aus elf Brettern, neun Holzklötzen und 78 Nägeln (mit diesem Wissen konnte man übrigens vor einem Jahr Millionär bei Günther Jauch werden). Verwendet wird ausschließlich Nadelholz wie Fichte und Tanne, „normalerweise nimmt man hier die minderwertigeren äußeren Schichten vom Stamm“, erklärt Schmitt.
Eine Herausforderung ist dagegen die Regulierung: Denn wer Europaletten produzieren will, muss bei der European Pallet Association (Epal), dem Dachverband der Hersteller und Reparateure der Ladungsträger, eine Lizenz beantragen. Die Epal ist Betreiber des Tausch-Palettenpools, der weltweit mehr als 500 Millionen Europaletten in Umlauf hat, und zuständig für die Qualitätssicherung. Zweimal im Monat kommt im Werk am Marbachsee unangemeldet ein Kontrolleur vorbei und prüft streng nach Protokoll Maße und Holzbeschaffenheit.
Die Normen müssen eingehalten werden, ansonsten werde ein Betrieb schnell mal stillgelegt, heißt es. „Kaum ein Geschäft ist so stark reguliert wie unseres“, meint Sauer. Der Einbrand auf jeder Palette gibt Auskunft darüber, wer sie wann wo hergestellt und bearbeitet hat. Selbst die Nägel müssen zertifiziert sein. Alle paar Wochen holen die Kollegen eine 25-Tonnen-Ladung Nägel bei einer Firma in der Röhn ab, das Holz kauft man bevorzugt bei Sägewerken in der Region, ab und zu auch von Händlern, die den Rohstoff für osteuropäische Länder vermarkten.
Die Europalette hat schon eine lange Geschichte: Als Geburtsstunde gilt das Jahr 1961, als einige europäische Eisenbahngesellschaften die ersten Verträge für eine einheitliche Tauschpalette unterzeichneten. Damit waren sie auch für die Umsetzung der Normen für Herstellung und Reparatur zuständig. Die Deutsche Bundesbahn übertrug diese Rechte in den 70er Jahren an den heutigen europäischen Dachverband Epal.
Umbrüche wie es sie in anderen Branchen gibt, sind im Holzpackmittelgeschäft nicht abzusehen. Ein Thema, was die Hersteller zuletzt beschäftigt hat, löste der Brexit aus. Denn weil Großbritannien nicht mehr der EU angehört, gilt seit 1. Januar der internationale Palettenstandard IPPC. Dafür werden die Paletten erhitzt, damit Frischholzschädlinge getötet und nicht von Kontinent zu Kontinent verschifft werden. „Ob das Sinn macht, darüber müssen wir nicht streiten. Vielen Kunden war es schlicht nicht bewusst“, sagt Sauer. Da man selbst fast nur noch nach IPPC produziere, hätten sich die meisten aber keine Sorgen machen müssen.
Das klingt, als hätten Manfred Schmitt und Thomas Sauer, aus deren Vornamen der Firmenname abgeleitet ist, nie etwas anderes gemacht. Tatsächlich sind sie vor 16 Jahren durch Zufall in der Branche gelandet, als ihr damaliger Arbeitgeber, ein Logistikunternehmen, zu machte. Daraufhin übernahmen die beiden einen kleinen Palettenhandel in Hirschhorn und dehnten das Angebot aus, zunächst auf Reparaturen, später auch auf Produktion, die heute das Hauptstandbein ist.
Betriebsleiter Kehl war früher mit einem Stahlhandel selbstständig und heuerte ursprünglich als Aushilfe an. Ans Aufhören denken alle drei, obwohl im Rentenalter, noch nicht. „So lange es geht, wollen wir weitermachen“, sagt Sauer.
Von Anja Ingelmann