Überraschender Abgang bei der Brain AG aus Zwingenberg
Neue Besen kehren gut, heißt es. Bei der Brain AG muss sich das schnell beweisen, weil der Biotech-Pionier zu langsam vorankommt. Vorstandschef Jürgen Eck macht jetzt den Weg frei.
Von Achim Preu
Leiter Wirtschaftsredaktion Südhessen
Urgestein der Brain AG: Jürgen Eck war seit 2000 Technologievorstand und seit 2015 Vorstandschef.
(Archivfoto: Sascha Lotz)
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ZWINGENBERG/FRANKFURT - Paukenschlag bei der Brain AG aus dem südhessischen Zwingenberg: Jürgen Eck (56), Vorstandsvorsitzender der börsennotierten Biotech-Firma und Mitgründer wirft überraschend zum Jahresende hin. „Er geht nicht im Streit“, so ein Insider. Offenbar soll mit dem Schritt der schnelleren Industrialisierung der Weg geebnet werden, weil Eck hier nicht seine Kernkompetenz sieht, trotz aller Netzwerke. Als drittgrößter Einzelinvestor nach den Familien Putsch (Keiper Recaro) und Hopp (SAP) habe er ein vitales Eigeninteresse daran, hieß es.
Aktienkurs stand am Montag unter Druck
Dabei wollte Eck diesen Leuchtturm und Pionier der industriellen („weißen“) Biotechnologie hierzulande endlich in andere Größenordnungen führen, mittelfristig in Milliardendimensionen, wie er in einem Interview mit dieser Zeitung sagte. Jetzt erleben die Aktionäre des Zukunftswertes nach zuletzt schwachen Zahlen und der Ungewissheit darüber, wann die Gewinnschwelle endlich erreicht wird, eine weitere Unwägbarkeit. Obwohl Analysten eher neue Chancen sehen, stand der Aktienkurs am Montag unter Druck.
Der Aufsichtsrat hat, wie jetzt mitgeteilt wurde, den Niederländer Adriaan Moelker zu Ecks Nachfolger bestellt. Am 1. Februar nimmt Moelker, der über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in der industriellen Biotechnologie bei diversen Unternehmen verfügt, seine Tätigkeit an der Bergstraße auf. Unter anderem war er neun Jahre lang CEO der AB Enzymes GmbH in Darmstadt, eine ehemalige Tochter des Plexiglasproduzenten Röhm. Die auf Enzyme für Backmittelzutaten spezialisierte Firma durfte sich über einen deutlichen Umsatzzuwachs freuen. Und er freue sich nun, den Wachstumskurs von Brain zu verstärken, ließ Moelker wissen. Eck soll ihm beratend zur Seite stehen.
Die Brain AG wurde 1993 von Holger Zinke, Jürgen Eck und Hans Günter Gassen in Darmstadt gegründet. Zinke erhielt 2008 den Deutschen Umweltpreis, weil damit erstmals der vollständige Werkzeugkasten der Natur für industrielle Zwecke zur Verfügung stand, wie es in der Laudatio hieß. Konkret: Mit Henkel wurde ein Waschmittelenzym entwickelt, das es erlaubt, Textilien bei 40 statt 60 Grad zu waschen, was 1,2 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 einsparen hilft. Zudem kann Brain-Technologie Edelmetalle wie Gold aus Abfallströmen gewinnen sowie Zucker- und Salzgehalt in Lebensmitteln reduzieren. 2016 erfolgte der Börsengang, der erste eines Biotech-Unternehmens hierzulande seit einer Dekade.
„Wir bleiben klar darauf fokussiert, Enzyme, Mikroorganismen und Naturstoffe für Produkte und industrielle Prozesse zu identifizieren und zu optimieren“, sagte Eck jüngst. Zugleich stelle Brain aber immer mehr Produkte selbst her, was zwei Drittel der Einnahmen ausmacht. „Wir priorisieren das skalierbare Produktgeschäft, aber die Forschung und Entwicklung ist unsere Kernkompetenz“, so Eck weiter. Dass die Relevanz der Biotechnologie in Zeiten der Klimakrise wächst, hier ein globaler Megatrend bedient wird, schlägt sich bislang freilich nur unzureichend bei Brain in entsprechenden Zahlen nieder. Auf die Frage, wann der Break-even erreicht wird, sagte Finanzchef Manfred Bender jüngst auf einem Kapitalmarkttag: „Das kann ich Ihnen nicht sagen“, was für reichlich Lacher sorgte, so die „Börsen-Zeitung“. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2018/19 stand ein Verlust von acht Millionen zu Buche bei knapp 30 Millionen Euro Umsatz.